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Von Andi LaPatt am 08.04.2016 (www.andilapatt.com)

Autorin von "Eine fast unanständige Frau" und "Die Siegel Asinjas, erschienen im Franzius-Verlag, Bremen

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Vor vielen Jahren stach mein Seelenschiff in See, meine Black Pearl.

Leute kamen an Bord, ich hatte sie nicht eingeladen, doch ihr Aufenthalt hat wunderbare Spuren hinterlassen. Sie gaben mir das Geschenk der Offenheit.

Leute kamen nicht an Bord, die ich darum gebeten hatte, denn sie haben abgelehnt. Sie machten mir das Geschenk des Loslassens.

Von Bord bin ich gefallen, verirrt im Ozean des Lebens, es tauchte mich ins Geschenk des Vertrauens ein, denn das Wasser hat mich getragen.

Menschen wollten mit mir tanzen, doch ich habe abgelehnt. Anderen Menschen bot ich meinen Tanz an, doch meine Musik war ihnen fremd. Sie gaben mir das Geschenk der freien Wahl.

Mit einigen Menschen habe ich getanzt, eng umschlungen, manchmal weit entfernt. Egal, ob festgehalten, losgelassen, wild oder gemächlich, ich fand meinen eigenen Rhythmus. Diese Tänze lehrten mich das Geschenk der Individualität.

Die Lieder stimmten mich traurig, andere machten mich wütend, ganz viele brachten mich zum Beben, zum Lachen, zum Feiern, einige davon lehrten mich die Melodie meines Herzens. Sie machten mir das Geschenk der Hingabe.

Manche Menschen wollten mich fallen sehen, taten alles, um mich in die Knie zu zwingen, sie gaben mir das Geschenk des Fliegens.
Und wenn ich dann doch gestürzt bin, durfte ich den Boden küssen, damit ich die wertvollen Samen sah, die ich für meinen fruchtbaren weiteren Weg brauchte, um Neues zu pflanzen. Sie gaben mir das Geschenk des Annehmens.

Menschen fielen hin, die durch mich zu Fall gekommen waren, vielen konnte ich die Hand nicht mehr reichen, sie gaben mir das Geschenk der Vergebung.

Das Steuer wurde mir manchmal aus der Hand gerissen. Sie demütigten mich mit ihrer Hochmut, verletzten mich mit ihrem höhnischen Lachen. Ich forderte sie auf, mein Schiff zu verlassen. Sie lehrten mich das Geschenk der eigenen Meinung, auch wenn ich mutig sein musste, um mit ihr alleine zu stehen.

Eine Zeit des Sturmes führte mich an falsche Orte, verführt von trüben Verlockungen, doch sie lehrten mich das Geschenk der Klarheit.

Die Black Pearl tauchte in die Hölle ein, mehr als einmal schien alles verloren, lange blieb sie in der Dunkelheit, doch immer wusste sie, wie sie auf Kurs bleibt, auch wenn ich es nicht sehen konnte. Sie lehrte mich demütig, dem Künstler in mir Raum zu geben.

Manchen Menschen gab ich das Steuer in die Hand und sah, dass sie darum nicht gebeten hatten, und sie gingen von Bord, das gab mir das Geschenk der Akzeptanz.

Viele kamen, viele gingen, sie lehrten mich das Geschenk des Loslassens.

Dämonen enterten den Kahn, brachten den Orkan in meine Gewässer. Sie lehrten mich, jeden Sturm zu überstehen und den Wind zu nutzen, anstatt über ihn zu klagen. Sie brachten mir das Geschenk der Selbstliebe, in meine Kraft zu kommen.

Manchmal stand ich an der Reling, schaute auf die See und war traurig, allein an Bord zu sein. Doch dann sangen die Wellen ein Lied für mich, der Klang meines Herzens. Sie lehrten mich das Geschenk der Achtsamkeit.

Der Lack hat gelitten, zugegeben, es gibt schönere Schiffe. Verwettert und gebraucht liegt es im Wasser, Risse in den Segeln. Manchmal wünschte ich mir ein flotteres Antlitz. Doch dann sehe ich, mit welcher Würde die Black Pearl ihre Narben trägt.

Dann werde ich still, demütig und dankbar, an Bord dieser Black Pearl der Kapitän sein zu dürfen. Ich stehe hinter dem Steuer, den Wind in den Haaren, die Sonne im Gesicht.

Im Wasser liegen weitere Schiffe, andere Perlen, die mich begleiten. Manchmal nimmt einer der Kapitäne einen anderen Kurs, machs gut mein Freund, bis irgendwann. Und manchmal bleiben die Schiffen nebeneinander auf gemeinsamem Kurs, für lange Zeit, ein paar davon ein Leben lang. Mein Segel wird immer ein Leuchtturm für dich sein, aber ich werde deinen Wind nicht stören, weil er dich dorthin tragen soll, wo du dein Seelenheil findest. Selbst wenn sich eine Perle verirrt, sie wird so hell leuchten, dass sie immer wieder gefunden werden kann. Die Perlen machen mir das Geschenk der Liebe und der Freundschaft.

Nach all diesen Erfahrungen ist mein Leben reicher, mein Herz grösser, meine Seele freier und ich stärker denn je. Meine Black Pearl freut sich darauf, dass ich noch lauter lache, im Regen küsse, mich an der Liebe betrinke und mich leidenschaftlich ins Leben stürze.

Und der Pirat in mir ist stolz, weil die Liebe gesiegt hat und der Rebell sich nie brechen liess…

So sticht die Black Pearl an der Seite der anderen Perlen in See, bereit zu neuen Abenteuern. Was gibt es Schöneres, als ein Pirat zu sein.

Yoho - Piraten trinkt aus.

 

(Mit freundlicher Genehmigung von Andi LaPatt)