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Frühling

 

Ich sitze an einer Uferpromenade in einem Straßencafé und betrachte über den See hinweg die schneebedeckten Berge, die ganz nah erscheinen und doch so weit weg sind. Über den Stühlen liegen Decken, damit sich die Gäste vor dem kühlen Wind schützen können. Die Wolken lichten sich und geben die Sonnenstrahlen frei, die mich erwärmen. Ich schließe die Augen und genieße ihre Kraft, die sie an diesem Apriltag schon haben. Mir wird warm und ich ziehe meine Fleecejacke aus und lege sie über den Stuhl neben mir.

 „Ihr Cappuccino, bitte sehr“, sagt die Bedienung und lächelt mich freundlich an.

„Vielen Dank“, antworte ich und lächel zurück.

Ich löffel den dichten Milchschaum von meinem Cappuccino und sehe mich um. Spatzen springen hektisch um meinen Tisch herum und hoffen auf Krumen, die vom Tisch fallen könnten, aber von meinem Tisch fallen keine herunter. Ihr Piepsen mischt sich unter das Gezwitscher der anderen Vögel. Ich bemerke, dass die Bäume ihr ersten Grün zeigen. Jeder Baum hat sein eigenes Grün: Das eine schillert leuchtend hell, das andere eher dunkel. Einige Bäume zeigen schon ihre weiße und pinkfarbene Blütenpracht.

Pärchen flanieren Hand in Hand oder Arm in Arm an mir vorbei. Einige plaudern miteinander, andere lächeln still vor sich hin. Manche haben eine Daunen- oder Fleecejacke an, andere tragen sie locker über ihrem Arm und wieder andere haben keine Jacke dabei. Gemächlichen Schrittes ziehen sie an meinem Tisch vorbei.

Ein Zeppelin fliegt langsam und bedächtig vorüber.

Als sich eine Wolke vor die Sonne schiebt und ihr die Kraft nimmt, beginne ich ein wenig zu frösteln und ziehe meine Fleecejacke an. Nach kurzer Zeit gibt die Wolke die Sonnenstrahlen frei und ich spüre wieder ihre Kraft. Also ziehe ich die Jacke wieder aus.

Auf einer Bank am Ufer sitzt eine Frau in der Sonne und schreibt, tief in sich versunken, etwas in ein Heft. Vielleicht ihr Tagebuch. Ab und zu unterbricht sie ihr Schreiben, schließt die Augen und hält ihr Gesicht der wärmenden Sonne entgegen.

Eine junge Frau setzt sich an den Nebentisch, lächelt mir kurz zu, holt ein Buch aus ihrer Tasche und beginnt zu lesen. Als ein „Pling“ aus ihrer Tasche erklingt, legt sie das Buch beiseite und fischt ihr Handy aus ihrer Handtasche. Sie wischt ein Muster auf das Display, um es zu entsperren und liest, was das Handy ihr zu sagen hat. Die Nachricht zaubert ein Lächeln auf ihr Gesicht. Gekonnt fliegen ihre Finger über das Display, als sie eine Antwort schreibt. Dann verschwindet das Handy in ihrer Handtasche und sie widmet sich wieder ihrem Buch, ohne ihr Lächeln zu verlieren.

Ein Summen bringt mich aus meinen Gedanken. Die erste Wespe umkreist den Zuckerspender auf meinem Tisch auf der Suche nach einem Weg durch die schmale Öffnung zu dem Stoff ihrer Begierde. Nachdem sie den Zuckerspender einige Male umkreist hat fliegt sie zu einem anderen Tisch, auf dem ein großer Eisbecher steht. Geduldig schaut der Mann der Wespe zu, wie sie sein Eis umkreist. Als sie ihrer Wege zieht, genießt er in Ruhe sein Eis.

Um mich herum ist es ruhig und friedlich. Die Zeit hat gerade keine Eile.

„Haben Sie noch einen Wunsch?“, fragt die Bedienung.

„Nein, danke“, antworte ich lächelnd. „Alles ist gut, so wie es ist.“