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Vom großen Geist bin ich gesandt,

zu bringen die Botschaft vom Sonnenland.

Bin dem Licht des Himmels nah und der Götterbote gar.

In Kreisen und Spiralen ziehe ich meine Bahnen,

dich zu lehren, zu begleiten, zu warnen.

So hör auf meinen Ruf, prüfe die Wahrheit, die goldene Sonne in dir,

denn Wakan Tanka, der große Geist, spricht aus mir.

Ich leihe dir meine Augen, trage dich im Flug,

helfe dir zu besiegen der Dämonen genug,

verlange Opfer, Bereitschaft und Mut.

Folgst du mir, so wird alles gut!

Vertraue und glaube, laß dich nicht verleiten,

denn nun werde ich dich im Innern begleiten.

 

(Zitat aus "Krafttiere" von Jeanne Ruland)

 

 Der Flug des Adlers

 

 „Es gilt, sich einen realen Eingang zur unteren Anderswelt vorzustellen. Es kann sein, dass dir auf deiner Reise viele Tiere begegnen. Wenn sie aber nicht stehen bleiben, sind sie nicht deine Krafttiere. Es kann aber auch sein, dass dir gar kein Tier begegnet. Die Krafttiere wählen dich. Nicht du wählst sie. Wenn es dich gefunden hat, nimm es an und bewerte es nicht. Jedes Tier hat besondere Merkmale, Lebensräume und Fähigkeiten.

Wenn es dir begegnet, dann frage es: ´Bist du mein Krafttier?´

Wenn es dein Krafttier ist, wird es es dir signalisieren. Erzwinge es nicht. Lass es geschehen. Wenn du dein Krafttier gefunden hast, bedanke dich. Du kannst auch mehrere Krafttiere haben. Es kann aber auch sein, dass dir dein Krafttier (noch) nicht begegnet. Dann bist du noch nicht so weit.

Du wirst begleitet von der Trancetrommel, die im Takt des Herzschlags schlägt.“

 

Ich lag im Meditationsraum und sah zur Decke. Ich blickte durch ein gläsernes Dach und sah den abendlichen Himmel an. Ich wartete darauf, dass ich meine Reise antreten konnte.  Ich freute mich darauf, dem Wolf zu begegnen. Schon seit vielen Jahren ist er mein Krafttier. Ich bin ihm nicht auf einer Krafttierreise begegnet, sondern seit meiner Kindheit durch meinen besonderen Bezug und meine Faszination für ihn.

Und dann schlug die Trommel:

Bumm-bumm-bummm-bumm

Ich startete in einem Park von einer Bank, auf der ich öfter gesessen hatte, und lief auf einen Baum zu. Ich lief und lief und lief – auf einen Waldweg, durch einen Wald, an einem See vorbei, über eine Wiese und wieder in einen Wald. Ich sah kein Tier. Also lief ich weiter.

 

Bumm-bumm-bumm-bumm

Ich lief ziellos wie in Trance und getrieben von einem inneren Zwang. Ich blickte nach rechts, nach links und nach vorne. Nur umdrehen wollte ich mich nicht. Ich lief auf einen Busch zu und sah zwei grüngelbe Augen, die mich betrachteten. Ich wollte anhalten und schauen, was das für Augen waren, aber angetrieben lief ich weiter. Plötzlich kam der Wolf aus dem Gebüsch und blieb vor mir stehen. Jetzt blieb auch ich stehen.

„Bist du mein Krafttier?“, fragte ich ihn.

Er sagte nichts, aber sein Blick sagte mir:

´Ich wache über dich, aber ich bin nicht der, den du gerade suchst.´

Dann drehte er sich um und verschwand im Dickicht. 

Bumm-bumm-bumm-bumm

Ich lief weiter. Immer weiter, angetrieben von einer inneren Kraft. Ich verließ den Wald und lief über eine Wiese. Ich lief auf eine Steilküste zu. In der Ferne konnte ich das Meer sehen. Am Himmel sah ich die Augen meines Wächters und ich wusste: Das ist jetzt mein Weg. Mir kann nichts passieren.

Bumm-bumm-bumm-bumm

Ich lief auf die Steilküste zu. Ich konnte sehen, dass es steil hinunter ging, aber ich hatte keine Angst. 

Und dann sprang ich...

 

Bum-bumm-bumm-bumm

Ich breitete meine Arme aus und fiel wie ein Fallschirmspringer in die Tiefe. Tief unter mir sah ich die Klippen und das Meer, das mit voller Wucht gegen die Felsen prallte und sich in weiße Gischt verwandelte. Ich sah unter mir einen kurzen Moment einen großen Schatten. Und dann landete ich auf etwas:

Einem riesigen Adler...

Ich hörte das Schlagen der Trommel nicht mehr. Ich setzte mich rittlings auf seinen Hals. Wir glitten durch die Wolken und ich spürte ihre Feuchtigkeit. Wir schossen in die Tiefe und flogen über das Meer. Wir flogen einen Bogen auf einen großen Felsen zu, der sich steil aus dem Meer erhob. Ich konnte schon seinen Horst sehen. Schließlich legte er seine Flügel in den Wind und wir landeten in seinem Horst. Ich glitt von seinem Hals und setzte mich ihm gegenüber. Groß und mächtig war er und ich fühlte mich klein. Und doch begegneten wir uns als Eins. Ich betrachtete ihn. Er betrachtete mich.

 

´Bist du mein Krafttier?´, wollte ich ihn fragen.

Aber ich fragte ihn nicht. Wir sahen uns einfach nur an. Ohne Worte wusste ich, wer er war. Und ich hatte das Gefühl, dass er alles über mich wusste. Auch all das, was ich selbst noch nicht wusste.

Ich hätte schreien können  vor Glück. Aber ich schrie nicht. Ich war einfach nur glücklich für das Geschenk, dass ich gerade bekommen hatte.

In weiter Ferne hörte ich wieder die Trommel, die jetzt das Ende meiner Reise anzukündigen schien.

Bumm-bumm-bumm-bumm

Ich stand auf und sah den Adler noch einmal an. Ich konnte nichts sagen. Kein Danke. Kein Nichts. Und doch fühlte ich diese tiefe Dankbarkeit, als ich ihm meine Hand auf seinen Hals legte. Ich kletterte auf seinen Rücken, er breitete seine Flügel aus und stieß sich von der Felskante ab. Ohne einen Flügelschlag glitten wir noch einmal hoch durch die Wolken, über das Meer und über die tosende Brandung auf die Steilküste zu.

An der Steilküste angekommen glitt ich von seinem Hals hinab. Wir sahen uns noch einmal an.

´Du musst jetzt gehen´, schien er mir zu sagen. ´Du weißt jetzt, dass ich in dir bin. Du musst mich nur rufen und dich mit mir verbinden.´

Ich drehte mich um und lief über die Wiese, durch den Wald, an dem See vorbei und auf den Waldweg, bis ich meine Bank im Park erreichte. Als ich vor der Bank im Park stehen blieb, hörte die Trommel auf zu schlagen.

Ich spürte den Teppich des Meditationsraumes unter mir und die Decke auf meinem Körper. Ich öffnete langsam die Augen und sah wieder durch das gläserne Dach in den jetzt dunklen Himmel.

Ich lächelte still in mich hinein, denn ich spürte, dass ich so weit war, neue Wege zu gehen, neue und weitere Entwicklungen zu machen, meine vorhandenen und neue Potentiale zu entdecken, von denen ich noch gar keine Ahnung hatte, welche das sein sollten. Aber ich wusste, dass ich Mittel und Wege finden würde, meine Kraft zu entdecken, zu entfalten und zu bewahren.

 

Ich bin mit dem Adler geflogen. Danke für diese Reise.